15.04.2024

SCHNELL, PRÄZISE UND VOLLAUTOMATISCH

Automatisierung ist ein Megatrend der Industrie. Durch die Übernahme des Spezialisten BBS Automation schließt der Konzern zur globalen Spitze der Branche auf.

Bei der Herstellung von Antriebsmotoren für Elektrofahrzeuge spielt die Hairpin-Technologie eine zentrale Rolle. Gebogene Kupferprofile, die einer Haarnadel ähneln, sind entscheidende Motor-Bestandteile. Sie erzeugen das Magnetfeld für den elektrischen Antrieb. Ihr gesamter Produktionsprozess ist automatisiert. Dabei werden die Kupferprofile auf Länge geschnitten und für die weitere Verarbeitung vorbereitet. Beim anschließenden Formen erhalten sie ihr charakteristisches Aussehen. Abschließend werden die Hairpins in den Stator eingesetzt und mittels Laserschweißen elektrisch verbunden. So entsteht ein Hochleistungsmotor, der sich durch maximale Energiedichte und minimale Vibrationen auszeichnet.

Mit der steigenden Nachfrage nach Elektrofahrzeugen muss auch die Produktion dieser Motoren Schritt halten. BBS Automation bietet als Automatisierungsexperte hierfür maßgeschneiderte Systeme an. Diese ermöglichen eine effiziente Herstellung von Elektromotoren in großer Stückzahl, um den steigenden Anforderungen des Marktes gerecht zu werden.

Mit den vollautomatisierten Systemen von BBS Automation können unterschiedlichste Produkte montiert werden.

Maschinen zum Bau von Antrieben für Elektrofahrzeuge sind nur ein Beispiel für die Produktpalette des Münchner Unternehmens, das an 16 Standorten weltweit 1.600 Personen beschäftigt. Anbieter aus vielen weiteren Branchen werden von BBS Automation mit automatisierter Produktionstechnik ausgerüstet – sie stellen unter anderem medizinische Produkte, Elektronik oder Anlagen zur Stromerzeugung und -speicherung her. 

Seit September 2023 gehört BBS Automation mit dem auf Produktionstechnik für Medical Devices spezialisierten Unternehmen Kahle Automation zum Dürr-Konzern. „Durch den Kauf erweitern wir unsere Kompetenz in Sachen Produktionsautomatisierung“, sagt Falk Bäurle, Finanzchef der neu formierten Business Unit für Automatisierungstechnik. Dazu gehören neben BBS Automation und Kahle auch teamtechnik und Hekuma, zwei Spezialisten, die seit drei Jahren dem Dürr-Konzern angehören.

HERVORRAGENDE ERTRAGSAUSSICHTEN

Mit den vier Töchtern rückt der Konzern in die Spitze der weltweiten Automatisierungsbranche und erschließt ein stark wachsendes Geschäftsfeld. „Dadurch ergeben sich vielversprechende Aussichten für Wachstum bei Umsatz und Ertrag, denn wir alle profitieren gleichermaßen von einem besseren Kundenzugang und effizienten Engineering- und Produktionskapazitäten“, sagt Josef Wildgruber, Geschäftsführer von BBS Automation und Leiter der neuen Business Unit. Dabei gelingt es, zum Beispiel mit künstlicher Intelligenz und großen Datenmengen, immer kompliziertere Prozesse abzubilden. 

Automatisierte Produktion kann zahlreiche Herausforderungen lösen, mit der die Industrie weltweit zu kämpfen hat. Dazu zählt der Mangel an Fachkräften, der mittlerweile auch in Asien und Lateinamerika spürbar ist und mit selbstständig arbeitender Technik aufgefangen werden kann. Eine automatisierte Produktion garantiert zudem selbst bei großem Produktionsvolumen eine konstant hohe Produktqualität, die von Kunden gefordert wird. 

Außerdem treibt die wachsende Weltbevölkerung den Trend zur Automatisierung voran. Da zugleich der Wohlstand in wichtigen Regionen steigt und sich die Kaufkraft erhöht, nimmt die Nachfrage nach Gütern des täglichen Bedarfs zu. Dazu zählen zahlreiche Produkte – vom Hörgerät bis zum Insulin-Pen. Folge: Die Industrie stockt ihre Produktion auf, um höhere Stückzahlen zu fertigen. Dabei setzt sie auf automatisierte Maschinen und Anlagen.   

"Durch den Kauf erweitern wir unsere Kompetenz in 
Sachen Produktions-
automatisierung."

Falk Bäurle, 
Finanzchef der Business Unit Production Automation Systems

Alles im grünen Bereich? Bei teamtechnik wird ein Prüfstand für Elektroantriebe eingerichtet.

TECHNOLOGIEN ERGÄNZEN SICH

Die vier neuen Automatisierungstöchter des Konzerns ergänzen sich durch ihre unterschiedlichen Schwerpunkte. BBS Automation ist auf Montagetechnik spezialisiert. Mehr als die Hälfte des Umsatzes bringen Systeme für die Autoindustrie, mit denen sich zum Beispiel Elektrobauteile, Batterien, Bremsenbauteile und Beleuchtungskomponenten fertigen lassen. Von Kahle kommen Maschinen für die Produktion von Produkten mit einer Nadel, beispielsweise Spritzen. 

Anders als BBS Automation bedient Hekuma eine Nische. Das Unternehmen ist auf Anlagen spezialisiert, die Teile aus Spritzgussanlagen entnehmen. Etwa Pipettenspitzen oder Verschlusskappen, die millionenfach hergestellt werden. Greifer nehmen die frisch gespritzten Teile schnell wie der Blitz aus ihrer Form. Und zwar schneller als die Teile durch die Schwerkraft herausfallen könnten. „In einigen Fällen lässt sich so die tägliche Produktionsmenge verdoppeln“, sagt Bäurle. 

Die teamtechnik aus Freiberg am Neckar schließlich ist Experte für Montage- und Funktionsprüfanlagen – zum Beispiel für Pkw-Getriebe und Antriebe von Elektroautos. In der Medizintechnik spielt das Unternehmen ebenfalls vorne mit. Im Angebot sind beispielsweise Anlagen, die Injektionssysteme, Infusionssets oder Einwegkontaktlinsen fertigen. Sie sind so konstruiert, dass nach jedem Arbeitsgang ein Prüfschritt erfolgt. Sensoren oder Bildverarbeitungssysteme kontrollieren das Ergebnis des vorangegangenen Prozesses, um zu garantieren, dass am Ende nur funktionsfähige Produkte aus der Anlage kommen.  

NEUES KOMPETENZZENTRUM

Der Konzern hat die Business Unit Production Automation Systems geschaffen, in welche die vier akquirierten Unternehmen ihre Expertise einbringen. „Unsere Kundschaft profitiert davon, denn der Markt ist stark zersplittert“, erklärt Bäurle. Wenn etwa ein neuer Autohersteller in Nordamerika oder China eine Produktion plant, die den gesamten elektrischen Antriebsstrang umfasst, kann er nun alles aus einer Hand erhalten: von der Montage bis zur Funktions- und Qualitätsprüfung am Ende der Produktion. Und zwar ohne fürchten zu müssen, dass die Technologien nicht zusammenpassen. 

Entnahmetechnik von Hekuma: In Sekundenschnelle werden Kunststoffbauteile aus der Spritzgussform genommen.

100 Mio. 
Stück im Jahr

Für labormedizinische Analysen wird meistens Blut untersucht. Der Verbrauch an Kunststoffröhrchen, die für Entnahme und Aufbereitung der Blutproben benötigt werden, ist enorm. Hekumas Hochleistungsautomation verarbeitet und vakuumiert die Blutröhrchen in Spitzengeschwindigkeit. 

7.200 
Batteriezellen pro Stunde

verarbeiten die Montage- und Prüfanlagen von teamtechnik. Daraus entstehen Batteriemodule, die beispielsweise in Heimspeichern, Elektrowerkzeugen oder E-Fahrzeugen verbaut werden.

Auch der Mutterkonzern bringt sein Wissen in das neue Kompetenzzentrum ein. Denn seit Jahrzehnten plant Dürr große Projekte und wickelt sie ab. Diese Erfahrung zahlt sich aus. Denn beim komplexen Aufbau einer automatisierten Produktion können schon kleine Fehler viel Geld kosten. Ein Konzern mit weltweit verfügbarem Know-how gibt seinen Kunden die Gewissheit, dass ihre Aufträge erfolgreich umgesetzt werden. 

Unter dem Konzerndach ergeben sich für die Töchter auch Vorteile im Einkauf. „Um Prozesse zu automatisieren, werden oft ähnliche Teile verbaut, egal, wofür die Anlage eingesetzt wird“, erläutert Bäurle. Fast alle Automatisierungslösungen benötigen pneumatische Zylinder, Steuerungselektronik oder aber Messtechnik wie Kameras oder Sensorik. Bedarfe für diese Bauteile lassen sich nun bündeln, um günstigere Einkaufspreise zu erzielen.

DÜRR ALS TÜRÖFFNER

Da BBS Automation und teamtechnik einen großen Teil ihres Umsatzes mit der Automobilindustrie machen, ergeben sich weitere Vorteile. Dürr unterhält seit Jahrzehnten gute Beziehungen zu den großen Herstellern. Kontakte bis in die Vorstandsebene können den kleineren Partnern Türen öffnen. 

Der gesamte Konzern stellt sich mit den Automatisierungstechnologien breiter auf und erschließt neue Geschäftsfelder neben der Automobilbranche. So ist die Medizintechnik ein vielversprechender Wachstumsmarkt für den Konzern, der weniger von der Konjunktur abhängig ist als die Fahrzeugindustrie. „An ihrer Gesundheit sparen Menschen in der Regel zuletzt“, sagt Bäurle. 

Das Geschäft mit Medizintechnik wird auch durch die steigende Zahl chronisch kranker Menschen getrieben, die etwa an Diabetes leiden. Weltweit sind fast eine halbe Milliarde Menschen davon betroffen. Viele von ihnen müssen sich regelmäßig Insulin spritzen. Injektions-Pens oder automatische Pumpen, die am Körper getragen werden, ermöglichen einen Alltag ohne große Einschränkungen. Da die Nachfrage steigt, muss in immer größeren Stückzahlen produziert werden, erklärt Bäurle. „Die vollautomatisierten Fertigungssysteme dafür baut teamtechnik schon seit Jahren.“

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